Der Dichter und der Turm
Im September 1807 wurde der kranke Dichter Friedrich Hölderlin als Hausgenosse in die Familie des Schreiners Ernst Zimmer aufgenommen. Seine Lebenserwartung prognostizierte der Arzt Autenrieth auf drei Jahre. Tatsächlich wohnte der Dichter 36 Jahre im heute berühmten Hölderlinturm am Neckarufer. Er hatte ein Zimmer im ersten Stock des Gebäudes, lebte dort mit der Familie und Studenten, an die weitere Zimmer vermietet waren, und wurde besucht von zahlreichen Bekannten. Damals gab es noch keine hohen Bäume auf der Neckarinsel, die jenseitige Uferseite des Flusses war noch nicht bebaut und der Blick aus den Fenstern seines Zimmers zeigte: Weite und Natur.
Hölderlin schrieb im Turm zahlreiche Papiere voll, so wird es berichtet, aber nur ein kleiner Teil ist erhalten. Er unterzeichnete diese Gedichte mit selbst gewählten Pseudonymen wie „Scardanelli“ und Fantasie-Jahreszahlen von 1642 bis 1940. Seinen Besuchern gegenüber verweigerte er oftmals das Gespräch oder sich selbst: „Ich bin nicht Hölderlin“.
Lotte, die jüngste Tochter, wurde geboren, als Hölderlin bereits sechs Jahre bei der Familie wohnte. Sie wurde nach dem Tod Ernst Zimmers seine Bezugsperson. Am 7. Juni 1843 starb Hölderlin und Lotte Zimmer schrieb in derselben Nacht in einem Brief an Hölderlins Stiefbruder Karl Gock, dass „… unter tausend Menschen wenige so sanft sterben wie Ihr geliebter Herr Bruder starb.“
Die Hölderlin-Gesellschaft e.V.
Die Hölderlin-Gesellschaft ist eine internationale literarische Gesellschaft. Sie ist offen für alle an Leben und Werk des Dichters Friedrich Hölderlin Interessierten. Ihr gehören Leserinnen und Leser, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Studierende aus dem In- und Ausland an.
Sie bietet die Möglichkeit zu einem offenen Austausch zwischen Publikum, Forschungsarbeit und künstlerischer Auseinandersetzung in Veranstaltungen, Publikationen und der alle zwei Jahre stattfindenden Jahrestagung. Das Werk Hölderlins gehört zu den am häufigsten übersetzten und interpretierten Texten deutscher Sprache. Und nach wie vor fordern seine Texte heraus. Erfahren Sie mehr unter: www.hoelderlin-gesellschaft.de
Briefe von Karl August Varnhagen und Wilhelm Waiblinger
Karl August Varnhagen und Wilhelm Waiblinger waren Bekannte Hölderlins. Der junge Stiftsstudent Waiblinger besuchte den kranken Dichter 1821/22 einige Male im Turm – und veröffentlichte eine erste Biografie über ihn: „Friedrich Hölderlins Leben, Dichtung und Wahnsinn“. Aus Briefen und Aufzeichnungen entsteht ein recht geschlossenes Bild über das Leben des Dichters im Klinikum und im Turm.
Ein Film von Michelle Heußer, Sarah Kälberer, Ha Thanh Trinh
Darsteller: Grigorii Zabolotskikh
Kamera: Kumaran Herold
Sprecher: Peter Binder, Michael F. Stoerzer
Dieser Film entstand im Wintersemester 2016/17 im Rahmen einer Lehrredaktion Film und Fernsehen unter der Leitung von Tanja Hamilton in Kooperation mit der Hölderlin-Gesellschaft am Institut für Medienwissenschaft und am Zentrum für Medienkompetenz (ZFM) der Eberhard Karls Universität Tübingen.